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jura:bverfge_41_29_-_simultanschule

BVerfGE 41, 29 - Simultanschule

  • BVerfG, 17.12.1975 - 1 BvR 63/68

Auf einen Blick

  • weltschauliche-religiöse Zwänge sind - soweit irgend möglich - auszuschalten
  • Schule darf nicht missionarisch sein
  • in profanen Fächern dürfen keine Glaubenswahrheiten vermittelt werden
  • Maßstab ist das „Bestreben nach Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit im weltanschaulich-religiösen Bereich gemäßg der Grundentscheidung des Art. 4 GG“.

Leitsatz

1. Art. 7 GG überläßt es dem demokratischen Landesgesetzgeber, den religiös-weltanschaulichen Charakter der öffentlichen Schulen unter Berücksichtigung des Grundrechts aus Art. 4 GG zu bestimmen.

2. Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 GG und Art. 4 Abs. 2 GG schließt das Recht der Eltern ein, ihrem Kind die von ihnen für richtig gehaltene religiöse oder weltanschauliche Erziehung zu vermitteln.

3. Es ist Aufgabe des demokratischen Landesgesetzgebers, das im Schulwesen unvermeidliche Spannungsverhältnis zwischen „negativer“ und „positiver“ Religionsfreiheit nach dem Prinzip der „Konkordanz“ zwischen den verschiedenen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern zu lösen.

4. Eine Schulform, die weltanschaulich-religiöse Zwänge soweit wie irgend möglich ausschaltet sowie Raum für eine sachliche Auseinandersetzung mit allen religiösen und weltanschaulichen Auffassungen - wenn auch von einer christlich bestimmten Orientierungsbasis her - bietet und dabei das Toleranzgebot beachtet, führt Eltern und Kinder, die eine religiöse Erziehung ablehnen, nicht in einen verfassungsrechtlich unzumutbaren Glaubenskonflikt und Gewissenskonflikt.

5. Die christliche Gemeinschaftsschule badischer Überlieferung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 VerfBW ist als Schulform mit dem Grundgesetz vereinbar.

Relevante Auszüge

Die Bejahung des Christentums in den profanen Fächern bezieht sich in erster Linie auf die Anerkennung des prägenden Kultur- und Bildungsfaktors, wie er sich in der abendländischen Geschichte herausgebildet hat, nicht auf die Glaubenswahrheit, und ist damit auch gegenüber dem Nichtchristen durch das Fortwirken geschichtlicher Gegebenheiten legitimiert. Zu diesem Faktor gehört nicht zuletzt der Gedanke der Toleranz für Andersdenkende. Deren Konfrontation mit einem Weltbild, in dem die prägende Kraft christlichen Denkens bejaht wird, führt jedenfalls solange nicht zu einer diskriminierenden Abwertung der dem Christentum nicht verbundenen Minderheiten und ihrer Weltanschauung, als es hierbei nicht um den Absolutheitsanspruch von Glaubenswahrheiten, sondern um das Bestreben nach Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit im weltanschaulichreligiösen Bereich gemäß der Grundentscheidung des Art. 4 GG geht.

jura/bverfge_41_29_-_simultanschule.txt · Zuletzt geändert: 2019/03/05 16:04 von 127.0.0.1