Die Zeitfalte

Die Zeitfalte von Madeleine L’Engle

Was wie ein solider Jugendroman mit phantastischen Anteilen beginnt, erhält mit dem jüngeren Wunderkind-Bruder der pubertierenden Protagonistin einen etwas zweifelhaft-abgehobenen Charakter. Die schon bald in Erscheinung tretenden außerirdischen Wesen sind auch etwas “weiter” und eigentlich eher “überirdische” Wesen, sie sind transdimensional1), aber aus einem nicht erfindlichen Grund auf die Jugendlichen angewiesen. So weit, so phantastisch, so gut.

Doch kaum enthüllen die als Hexen verkleideten Wesen ihre wahre Natur, scheint der Zenit der Vorstellungskraft der Autorin überschritten zu sein. Rasch verflacht die Geschichte, trotz anderen Welten und Wurmlöchern, und wird schwarz-weiß. Wir erfahren: Es wird gegen DAS Böse gekämpft. Es liegt wie eine Wolke um einen Planeten mit albernem Namen und der Papa von Wunderkind und Emo-Teen wird von ihm dort gefangen gehalten. Damit fällt dann plötzlich die bislang einfühlsam betriebene Charakter-Entwicklung rapide ab - klar, DAS Böse ist ja ungleich wichtiger und spannender.

Denn, unsere Hexen sind? Klar: Engel! Wunderkind lässt sich das 1. Buch Mose zum Einschlafen vorlesen. Lebewesen auf fremden Planeten preisen einen Schöpfer-Gott in christlicher Manier. Und Jesus von Nazareth war vor 2000 Jahren auf der Erde in einer ähnlichen Mission unterwegs wie unsere Helden, als Unteroffizier der Krieger des Lichtes (die dummerweise auch einige Atheisten und Agnostiker aufweisen, ebenso wie christliche Schlächter). Es sei so viel verraten: Sie haben mehr Erfolg als Jesus, aber die Story ist ähnlich arg zusammengestümpert.

In dem Buch lässt sich mitverfolgen, wie sich jemand auf den Schwingen seiner Phantasie und Schreibfreude erhebt - bis über seinen Horizont und dann plötzlich Angst bekommt: Was schreib ich da!? Was, wenn der Herr Reverend das liest oder Linda Sue vom Nagel-Salon? Da half und hilft seit jeher nur eines: frömmeln, frömmeln, frömmeln! Und so finden sich in diesem Buch die vermutlich unmotiviertesten Einsprengsel christlicher Mystik, die man sich verstellen kann. Sie passen nicht in die Geschichte, weder vom Ton, noch der Art her. Man könnte alle Passagen mit christlichen Klängen ersatzlos streichen, ohne der Geschichte zu schaden, im Gegenteil.

Ein eisenzeitlicher Mythos passt nicht zu Wurmlöchern, Zeitfalten und Vielfalten. Keine Lese-Empfehlung.

1)
nicht an eine bestimmte Dimension, Ort oder auch Zeit gebunden, häufig auch an keine äußere Form