Laizismus bezeichnet das Prinzip der strikten Trennung von Staat und Kirche und ist - analog zur Gewaltenteilung (in Legislative, Judikative und Exekutive) - essentieller Bestandteil einer modernen, pluralistischen Demokratie. Auch wenn bei uns in Deutschland die großen Kirchen schon stark säkularisiert sind, lehrt uns die Religions- und Kirchengeschichte, dass rezessive, friedliche Phasen der Religion mit aggressiven abwechseln. Ein Blick in die USA mit ihren Millionen von fundamentalen Christen, macht dies nur allzu deutlich.
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu begründen, warum die beiden „großen“1) Kirchen diese Sonderrolle innehaben und vielfältig unterstützt werden, nicht jedoch andere Glaubensgemeinschaften. Warum keine islamischen Kindergärten und Konkordatslehrstühle? Warum keine Scientologen in Ethikräten? Warum keine Imame als Bundeswehrseelsorger? Warum keine hinduistischen Krankenhäuser?
Antwort: Weil eine pluralistische Gesellschaft einen stabilen, glaubwürdigen und säkularen Rechtsstaat als neutrale Ordnungsmacht braucht, um fortbestehen zu können!
Die Beziehung von Staat und Kirche regelt in Deutschland der Art. 140 GG 2): Die aus der Weimarer Verfassung übernommenen Paragraphen wurden und werden nicht konsequent durchgesetzt, sondern fortwährend durch die beiden großen christlichen Quasi-Staatskirchen unterlaufen.
Die Kirchen bekämpfen und verleumden den Laizismus in weiten Teilen als Widerspruch zur Religionsfreiheit, zumindest was Deutschland betrifft.
In islamischen Ländern, in denen Christen eine Minderheit darstellen, fordern sie hingegen den Laizismus als „zwingend nötig“ und preisen ihn in höchsten Tönen3).
Im Wesentlichen lassen sich die laizistischen Forderungen zu den nachfolgenden Punkten zusammenfassen:
Dieser Abschnitt ist in Teilen leicht veraltet bzw. beinhaltet mittlerweile obsolete Parteien, wir haben es aus historischen Gründen drin gelassen
Einzig und allein die Piratenpartei Deutschlands kann sich zu klaren Worten zur weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates entscheiden:
Für die Trennung von Staat und Religion
Freiheit und Vielfalt der kulturellen, religiösen und weltanschaulichen Einstellungen kennzeichnen die modernen Gesellschaften. Diese Freiheiten zu garantieren, ist Verpflichtung für das Staatswesen. Dabei verstehen wir Piraten unter Religionsfreiheit nicht nur die Freiheit zur Ausübung einer Religion, sondern auch die Freiheit von religiöser Bevormundung. Wir erkennen und achten die Bedeutung, die individuell gelebte Religiosität für den einzelnen Menschen erlangen kann.
Trotz der von Verfassungs wegen garantierten Religionsfreiheit ist das Staatswesen der Bundesrepublik nicht frei von religiöser (und weltlicher) Privilegierung der traditionellen christlichen Kirchen. Hier gibt es einen Widerspruch, der durch Immigration und religiöse Differenzierung in der Gesellschaft zu größeren Verwerfungen führen kann.
Die weltanschauliche Neutralität des Staates herzustellen, ist daher eine für die gedeihliche Entwicklung des Gemeinwesens notwendige Voraussetzung. Ein säkularer Staat erfordert die strikte Trennung von religiösen und staatlichen Belangen; finanzielle und strukturelle Privilegien einzelner Glaubensgemeinschaften, etwa im Rahmen finanzieller Alimentierung, bei der Übertragung von Aufgaben in staatlichen Institutionen und beim Betrieb von sozialen Einrichtungen, sind höchst fragwürdig und daher abzubauen. Im Sinne der Datensparsamkeit ist die Erfassung der Religionszugehörigkeit durch staatliche Stellen aufzuheben, ein staatlicher Einzug von Kirchenbeiträgen kann nicht gerechtfertigt werden. Aus: Parteiprogramm — Grundsatzprogramm der Piratenpartei Deutschland
Kurz: Die LINKE hat große Angst, als kirchenfeindlich zu gelten. Viel Zeit vertun die Jungs und Mädels ausserdem sich gegen Kommunismusvorwürfe zu rechtfertigen. Aktuell versucht Raju Sharma, der aktuelle religionspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, einen klaren Standpunkt zum Laizismus von den LINKEN zu erhalten.
Der von Nils Opitz-Leifheit mitgegründete „AK Laizismus“ bekam kaum mediale Beachtung, dafür aber um so mehr Gegenwind von SPD-Christen, der dem AK Laizismus sogar die Verwendung der Buchstaben SPD verbot7). Treibende Kräfte sind jetzt Rolf Schwanitz, Doris Barnett, Carsten Schneider.
Im Frühjahr 2011 sind die „Laizistischen Sozis“ Objekt klerikalen Spottes, gedankt wird dem Herrn. Thierse! Wolfgang Thierse, das alte klerikale Bollwerk:
als Antwort auf den zunehmenden Pluralismus sei die schlichte Forderung nach einer radikalen Trennung von Staat und Kirche sowie die Verbannung christlicher Überzeugungen aus der Öffentlichkeit nahezu anachronistisch, argumentiert ThierseWolfgang Thierse, zitiert in: Kein Kulturkampf - In der SPD finden laizistische Bestrebungen nur wenig Widerhall, domradio.de vom 13.04.2011
In der SPD gehört die Kirche die Zukunft. Dass ohne Christen in der SPD nichts geht, muss dann auch Rolf Schwanitz einräumen, nicht jedoch, ohne sich das auch noch - berufsbedingt? - schönzuschwurbeln:
In Bremen gab es schon die Gründung eines ersten Gesprächskreises, mit Unterstützung durch den Arbeitskreis Christen in Bremen. Entsprechende Vorbereitungen haben wir in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Berlin und auch in Sachsen. Die Dinge kommen also in Bewegung.Rolf Schwanitz gegenüber dem hpd, am 13.04.2011
Das Ende des AK Laizismus kam am 09.05.2011, als der Parteivorstand des SPD einstimmig(!) beschloss, die Gründung abzulehnen.
Den Wunsch nach Gründung einer laizistischen Arbeitsgemeinschaft innerhalb der SPD lehnten die Spitzengenossen ab. Einstimmig. Ohne große Debatte. Wär' ja noch schöner.Spiegel Online vom 09.05.2011
Nachtrag: Am 22.06.2011 hat der Bund für Geistesfreiheit einen offenen Brief an die SPD geschrieben und diese zum „Überdenken“ der Entscheidung, keinen AK Laizismus innerhalb der SPD zu erlauben aufgefordert und in Aussicht gestellt, anderenfalls keine „Wahlempfehlung“ für die SPD mehr aussprechen zu können.
Hinzu kommt, dass der Laizismus gar keine Position in Analogie zu einer Religion oder Weltanschauung ist, sondern eine staatspolitische Position, die durchaus auch von Mitgliedern christlicher Konfessionen geteilt werden kann und geteilt wird. Dass in einer Partei, zu deren Gründern und Führern August Bebel gehört, den Anhängern einer deutlichen rechtlichen Trennung von Kirche und Staat eine innerparteiliche Organisierung untersagt wird, ist unseres Erachtens beschämend.Professor Dr. Theodor Ebert - Offener Brief an die SPD vom 22.06.2011
Nachtrag: Am 07.02.12 legt SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nochmal nach: keinen Laizismus bei der SPD. Geschickter ist hier der Vorsitzende Sigmar Gabriel:
Sigmar Gabriel, der Parteivorsitzende, hatte zwar der Gruppe kürzlich angeboten, sich als „Arbeitskreis der Atheisten und Freidenker in der SPD“ konstituieren zu dürfen. Laizismus, also die (Forderung nach) strikte® Trennung von Staat und Kirche, bleibe jedoch unter dem Banner der SPD unzulässig. Wie „vergiftet“ Gabriels Angebot war, stellte sich sogleich heraus; denn die Gruppe spaltete sich unversehens. xtranews „Die vier Evangelisten und die laizistischen Sozialdemokraten“ vom 08.02.12
Die Damen und Herren der Gruppe sollten sich die Frage stellen, ob ihr Laizismus nun praktische oder symbolische Politik sein soll. Praktisch scheint in der SPD dieser Tage 8) nahezu ausgeschlossen. Wenn es symbolische Politik ist, dann hilft sie, das Bild der jetzigen SPD klarer zu zeichnen. Die Ähnlichkeit zur CDU wird damit noch geringer.
Jürgen Schmude, SPD, Ex-Justiz und Ex-Innenminister, Mitglied im Nationalen Ethikrat wird wie folgt zitiert, zur Verbindung von SPD und Kirche:
Grundlegende Eingriffe in das bewährte System des Staatskirchenrechts, die die Positionen der Kirchen schwächen würden, seien nicht sachdienlich. Und: Würde diese Schwächung durch die SPD erfolgen, wäre dies primär und vor allem für die SPD schädlich.Jürgen Schmude in hpd vom 11.04.2011
Die Bundestagsabgeordneten Marco Buschmann (katholisch, Vorsitzender der AG Recht der FDP-Bundestagsfraktion), Christian Lindner (Generalsekretär der FDP), Stefan Ruppert (evangelisch, Beauftragter für Kirchen und Religionsgemeinschaften der FDP-Bundestagsfraktion), Serkan Tören (Integrationspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion) und Johannes Vogel (Arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion) haben 'Sechs Thesen für ein republikanisches Integrationsleitbild' verfasst. Der Absatz 2 dieses Dokumentes enthält sehr klare Worte über die von rechts-konservativen Kreisen gepflegten Fiktion des „christlich-jüdischen Abendlandes“ als Wertegrundlage (bislang hatte sich erst Horst Isola von der SPD ähnlich klar dazu geäußert).
2. Die Formel vom christlich-jüdischen Abendland kann kein integratives Leitbild sein. Zwar enthält sie viel Wahres über die europäische Geschichte. Das Grundgesetz verlangt jedoch nach einem Leitbild, das unabhängig von der Religion oder persönlichen religiösen Überzeugungen ist. Zudem wissen wir, dass viele, die sich in Deutschland integrieren wollen und sollen, weder Juden noch Christen sind. Die Formel vom christlich-jüdischen Abendland kann daher als Ausgrenzungsformel missverstanden werden. Die Formel vom christlich-jüdischen Abendland ist auch als Beschreibung unserer Vergangenheit nicht vollständig. Unsere abendländische Kultur ist nicht ohne die Errungenschaften vorchristlicher Zeit und der Aufklärung denkbar: Die Wurzeln unserer Vorstellungen zu Gerechtigkeit und Herrschaftslegitimation finden sich bereits im alten Ägypten. Demokratie als Staatsprinzip wurde im heidnischen Griechenland geboren. Republikanismus als staatsbürgerliches Selbstverständnis wuchs im heidnisch-synkretistischen Rom der Antike. Die Aufklärung durchdringt unser heutiges Verständnis von Staat und Gesellschaft, von der Rolle des Individuums und der Religionen. Sie erhebt die Toleranz zur Bürgertugend. Zum Erbe der deutschen Aufklärung gehört unbestreitbar Lessings Ringparabel. Sie kennt drei Ringe, die für Christentum, Judentum und Islam stehen. Diese pointierte Formulierung der Toleranzidee ist die Grundlage für das religiöse Zusammenleben in unserem Land.Sechs Thesen für ein republikanisches Integrationsleitbild
Die Reaktion klerikaler und von Klerikalen beeinflusster Kreise ist heftig, auf die Zukunft des Dokumentes darf man gespannt sein.
NACHTRAG 2016: Das hier besprochene Dokument ist augenscheinlich von den meisten seiner Urheber aufgegeben worden - nach kurzen, heftigen Anfeindungen ist es in Vergessenheit geraten.
Panorama-Sendung vom 17.10.2002 über die staatlichen Zahlungen und kirchliche Forderungen.
„Es ist zwingend erforderlich, religiöse und staatliche Angelegenheiten voneinander zu trennen.“ Das forderte vor kurzem die katholische Bischofskonferenz in Pakistan. Im Hintergrund stehen Streits um eine Reform der Blasphemiegesetze und die Unterdrückung durch muslimische Mehrheiten.Vertreter der Kirche und Menschenrechtsorganisationen forderten die Regierung auf, für Meinungs- und Gewissensfreiheit einzutreten um den zunehmenden Extremismus im Land zu stoppen.wissenrockt vom 06.02.2011: Katholische Bischöfe: Säkularisierung “zwingend nötigDie deutsche Bischofskonferenz dazu: Erzbischof Schick: Christen sind in Pakistan „Bürger zweiter Klasse“